FREIfRAU VON WILlEN

Lyrisches aus Freifrau von Willens Feder
Kaminzimmer
kapriolen

Mohnkapsel
Aus weit entfernter Höhe
besehe ich die Welt.
Ich bin tausend Stücke,
die nichts zusammenhält.
Der Wind drängt eine Böe
durch den blassen Mohn.
Ich bin kaum mehr als Lücke.
Der Himmel dämmert schon.
Die Weite drückt mich an sich.
Das Meer verschluckt das Land.
Ich – entrücke – mich.
Kein Horizont, nur Rand.
Bruder
Ich fühle dich, noch ehe ich dich sehe
Du sitzt versunken da auf einer Bank
ein Stapel Bücher unberührt daneben
Es scheint, du suchst in vielen Tiefen nach dem Grund
Dein Blick gen Boden starrt verschleiert
Du hängst in dir wie ein gewaschen' Hemd im Schrank
In dein Gesicht sind scharf die Fragen eingegraben
und Schwere zieht an deinem schiefen Mund
Ich schickte dir so gerne meinen Trost
mit einem Lächeln etwas schwesterlichen Mut
höbst du die Augen doch für einen kurzen Blick...
Missglückt. Zu fern liegst du begraben in dir selbst
Salix babylonica
„Ich sterbe“, flüstert ängstlich das Blatt.
„Ich traure“, bedauert die Weide.
Und eh‘ das Blatt sich versehen hat
bestand seine Zeit nur aus Leide,
denn sein Welken begann schon im Spross.
Zwar tat es am Baum seine Dienstpflicht
im Sinne der Fotosynthese,
genießen konnt‘ es sein Dasein nicht,
aus Angst, dass es alsbald verwese.
Wie auch aus Sorg‘ der Baum nicht genoss.
Nun fühlst du, menschlicher Moralist,
Mitleid mit Blatt und mit Baum.
Doch weißt du, dass das nur Gleichnis ist,
denn Weiden leiden wohl kaum.
Elegie vom leeren Beichtstuhl
Schnee schmilzt zum See wenn er geht und das Lied seiner Klage geht unter.
Klagen nur kann, wer auch ist. Leben ist sterben auf Zeit.
Wir glauben Wundern nicht mehr, sind der Technik und Wissenschaft hörig.
Gibt keinen Gott mehr dort oben, sind nun Herrscher wir selbst.
Tragen die Last auch wir selbst, tragen die Schuld des Despoten und Sklaven.
Bürden die Last auch dem andern auf, Tyrannen voll Furcht.
Siehst du den Vogel hoch oben, wie silbern, wie schön er tanzt? Doch er
tanzt auf den Untergang zu! - Schuld. Trägst die Schuld, trägst sie Du?
Tief in die Erde da bohrt sich ein Stahldolch ins ächzende Herz und
saugt seine Mutter sich tot. Wer, wenn nicht… wer, wenn nicht Du?
Tanzen ist nur Privileg eines Tieres, denn Menschsein bedeutet
Kampf! Brennend stürzen wir dich, Welt, und uns selbst mit vom Thron.
Tod ist ein Teil dieses Lebens, schon immer gewesen, nur leider
winkt kein Elysium mehr, mild uns am Ende des Zauns.
Wir suchen Heil nun im Leben, erstarren beim Anblick jedoch zur
Salzsäule. Schrecklicher Engel. Aus dem Lot ist die Welt.
Oh, in welch Zeiten sind wir da geboren? Es wähnen wir ständig
alles und alles und all das, was da ist, schon verloren.
Wir, die wir all, was wir lieben, in Untergang haben getrieben.
Wie kann man lieben mit Schuld? Wie kann man lieben sich selbst?
Schnee schmilzt zum See wenn er geht…
sun is shining
weather is blue
lungs are breathing
but it doesn’t feel true
​
smile seems tired
dreams seem faded
brain seems wired
eyes seem shaded
​
sharpened my questions
loaded my doubts
hunted my lessons
swallowed my shouts
​
freedom is only
a mental state
freedom is lonely
and lightness a weight
blumenvondir
In meinen Händen: der Strauß mit den kurzen Stielen
Ich: ernsthaft darauf bedacht, dass er nicht zerfällt
suche eine Vase, welche die nahezu vertrockneten
Blumen von gestern zusammenhält
Suche: die richtige Vase zwischen den vielen,
ihn zu bewahren, wie er ist und wie er kann,
damit die Blüten nicht untergingen oder zerfielen
–
und fiebrig suchend erkenne ich dann,
dass du mich schon vergessen hast und neue Samen pflanzt
in Erde, die nährreicher ist als mein suchendes Ich
es scheinbar sein kann