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AutorenbildNora Brandt

BEZIEHUNGEN? SPRECHEN WIR VON VERBINDUNGEN! Die Fallstricke des Beziehungskonstrukts

Aktualisiert: 2. Nov. 2022


Ein Kommentar von Nora Brandt


Artwork by nka.arte


„Es ist nicht unsere Aufgabe, einander näherzukommen, sowenig wie Sonne und Mond zueinander kommen oder Meer und Land. Wir zwei, lieber Freund, sind Sonne und Mond, sind Meer und Land. Unser Ziel ist nicht, ineinander überzugehen, sondern einander zu erkennen und einer im andern das sehen und ehren zu lernen, was er ist: des andern Gegenstück und Ergänzung.“

aus: Narziß und Goldmund, Hermann Hesse



„Sind wir nun eigentlich zusammen?“ Wer kennt diese Frage und die damit einhergehenden Unsicherheiten nicht? Wann ist der Moment, in dem aus dem Ich und Du ein Wir wird? Was hat das für Folgen? Oder müssen wir Beziehungen vielleicht komplett neu definieren?


Zum einen erleichtert die Festlegung auf eine Beziehung natürlich die Betitelung. Nun kann man den*die andere*n als den*die Freund*in oder Partner*in bezeichnen. Und oftmals geht damit ein stillschweigender Pakt einher: nämlich der der sexuellen und emotionalen Treue. Mit Treue ist aber nicht Loyalität gemeint, sondern Exklusivität, es sei denn, man entscheidet sich für eine offene oder polyamore Beziehung. Und damit beginnen die Verhandlungen. Was verändert sich aber neben dem offiziellen Status? Eben genau das: Das Miteinander wird zur Verhandlungssache. Der Vertragsgegenstand: emotionale Sicherheit unter Einhaltung gewisser Regeln. Und oftmals wird dieser Pakt nicht auf Zeit geschlossen, sondern mit der Absicht auf Dauer.


Was passiert nun aber mit den sich aufeinander Beziehenden in einer Beziehung, wenn sich ihr Miteinander aus der Unverbindlichkeit löst? Wenn sich Erwartungen in das Miteinander einmischen? Zunächst einmal sind es ganz unterschwellige Prozesse. Die Freude über das Wir überlagert die Dynamik, die sich ab Vertragsschluss verändert. Doch zunächst verdeckt und später sichtbar erhalten beide (oder mehrere) Partner*innen gewisse Rollen in dem symbiotischen Beziehungskonstrukt. Und diese Rollen gehen einher mit dem Gefühl der Verantwortung und mit Forderungen an das Gegenüber. Diese Verantwortung wiederum geht einher mit der Möglichkeit des Versagens. Und schnell befindet man sich inmitten der klassischen Beziehungsprobleme: Enttäuschung, Druck, Verletzung, Vertrauensbruch, Unehrlichkeiten und das Gefühl, sich eingeengt zu fühlen. Im unerwünschtesten Fall, wenn die Kommunikation die zementierten Schwierigkeiten nicht mehr auflösen kann, folgt die Trennung. Love hurts. So nehmen wir das hin. Und mit einem noch größeren Reglement und noch dickerem Panzer gehen wir, wenn überhaupt, die nächste Beziehung ein. Und ebenjene Sicherheitsvorkehrungen stehen uns dann im Weg, wenn wir erneut ein ehrliches und offenes Wir gestalten wollen.


Viele berichten auch von der Angst, sich in der Beziehung zu verlieren, was schließlich ein häufiger Trennungsgrund ist. Was ist damit gemeint und wie kommt sie zustande? In unserer menschlichen Existenz reflektieren wir unser Dasein im Dialog mit der Umwelt. Es ist ein permanentes Wechselspiel, das eigene Selbst im Fremdbezug auszuloten: Wir werden gespiegelt und prozessieren diese Spiegelung im Rückbezug in Eigenarbeit. Nur ein gefestigtes Selbst kann gesunde Beziehungen führen und dazu bedarf es viel Selbstzuwendung. Gehen wir eine Beziehung ein, stehen wir plötzlich in einem sehr engen Bezug zu einem anderen Menschen. Wenn wir es nicht schaffen, ausgewogene Ich-Du-Entitäten zu bewahren und es zu Vereinnahmungen kommt, dann leidet das Ich im Wir-Bezug. Wer sich den Alltag, die Wohnung, den Freundeskreis, die Interessen und wirtschaftliche Sicherheiten teilt, eventuell gemeinsame Verantwortung für Kinder übernimmt, läuft Gefahr, die eigene Person dabei aus den Augen zu verlieren.


Wenn man im Beziehungskonglomerat nicht bekommt, was einem vermeintlich zusteht, wenn es keine Lösungen für Probleme gibt und keine Möglichkeit erscheint, dem aufgebauten Verantwortungs- und Abhängigkeitsnetz zu entkommen, dann greift man eben zum Kompromiss. Doch es gibt gute und schlechte Kompromisse. Gut sind Kompromisse dann, wenn jede*r bekommt, was er*sie benötigt. Doch in diesem Moment wird der Kompromiss zur Lösung. Schlechte Kompromisse sind das, was neben der Lösung übrigbleibt: Keine*r bekommt ganz das, was er*sie braucht, sondern nur einen Teil dessen. Und aus dieser Gleichung versucht man irrtümlicherweise die Faktoren Unzufriedenheit, Schuldzuweisungen und das Gefühl der Einengung heraus zu kürzen. Die Psychoanalytikerin Ruth Cohn hat uns aber eindrücklich vor Augen geführt, dass ungeklärte Konflikte, also die kurzerhand gekürzten Faktoren, Konflikte langfristig steigern und zementieren. Man kann Probleme eben nicht einfach wegignorieren. Wo es keine Lösung gibt, gibt es keine Lösung. Dann sollte man alternative Wege gehen, auch wenn das bedeutet, dass dies getrennte Wege sind. Denn viele unnötige Verletzungen später gewinnen die Probleme dann doch.


Stufen


Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.


Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen; Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.


Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden, Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!


Hermann Hesse, 1941


Eine weitere Schwierigkeit ist der Anspruch auf Dauer. Wenn man schon den*die „Richtige“ gefunden hat, sollte man ihn*sie doch auch gleich behalten, oder nicht? Was für eine grobe Fehlannahme! Handelt es sich denn bei Menschen wirklich um Waren, bei Partner*innen um Besitz? Und hat unser Warendenken uns nicht gerade dahin geführt, wo wir nun sind: zur Zerstörung des Planeten? Mehr, mehr, mehr und alles meins ist unsere Devise! Und wollen wir das wirklich, uns heute auf das Morgen festlegen? Wollen wir das Leben nicht lieber als Möglichkeit des Wachsens betrachten? Das Morgen als unvorhersehbare Chance begreifen? Als etwas, das wir nicht berechnen können? Der Anspruch auf Dauer verbaut die Entwicklung. Wer sich festlegt, hält sich nicht offen. Natürlich gibt es Menschen, die genau das wollen. Endlich ankommen. Bleiben statt Werden. Wer aber nicht zu diesen Menschen gehört und sich eingesteht: „Bleiben ist nirgends“ (Rilke), Ankommen ist nur eine kurze Zwischenrast vor dem Weitergehen, der sollte doch im Sinne des eigenen Wachsens akzeptieren: Eine Beziehung auf Dauer anzulegen, kann einen nur lähmen. Wollen wir nicht auch anderen eingestehen, dass Entwicklung möglich ist? Wenn wir das begreifen, dann kommen wir auch weg von unserer zerstörerischen Anspruchshaltung und dahin, den Moment mit all den Gegebenheiten als Geschenk und Chance zu begreifen. Nehmen wir der Vergänglichkeit doch endlich ihren Schrecken! Denn sie ist die andere Seite der Erneuerung. Tod heißt Leben. Gehen heißt Kommen.


Festzustecken in der Beziehung ist ein Gefühl, das sich daraus entwickelt, dass wir die Beziehung dafür verantwortlich machen, dass unser eigenes Wachsen eingeschränkt ist. Wenn die Beziehung einen hindert, man selbst zu sein oder zu werden, dann sollte man neue Wege beschreiten. Wir wachsen auch aus unserer Kleidung heraus, wenn wir größer werden. Wer sich das nicht eingestehen kann und sich in einer festgefahrenen Beziehung Entwicklung wünscht, versucht dann häufig, die Entwicklung innerhalb der Beziehung voranzutreiben. Wenn Unsicherheit entsteht, das Konstrukt einzustürzen droht, dann muss neue Sicherheit her. Diese Sicherheit aber in äußerer Sicherheit zu suchen, kann fatale Folgen haben. Eigenheim, Ehe und Kinder können eine super Sache sein, doch wenn sie aus dem Wunsch resultieren, Sicherheit zu generieren, werden sie nur zu mehr Unsicherheit führen. Dann kann man sich schnell verrennen in einem Verantwortungsturm, der immer höher und instabiler wird.


Wie kann man diese Teufelskreise denn durchbrechen? Ich denke, die Antwort ist einfacher, als viele meinen: radikale Ehrlichkeit. Doch radikale Ehrlichkeit an sich ist nicht so einfach, wie man meinen sollte. Denn sie beinhaltet nicht nur das zu sagen, was man denkt, sondern in erster Linie auch selbst zu verstehen, was man denkt und sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Erst im zweiten Schritt erfolgt die ehrliche Kommunikation. Wenn alle Karten auf dem Tisch liegen, keine davon gezinkt ist und sich kein Trumpf im Ärmel versteckt, nur dann kann ein Spiel fair sein. Und wer sich dann entscheidet nicht mitzuspielen, der entscheidet sich weniger schmerzhaft, als wenn er zusätzlich einen Betrug zu entlarven und zu verarbeiten hat.


Artwork by nka.arte


Sprechen wir von unseren Bedürfnissen, anstelle von unseren Erwartungen! Schauen wir ehrlich, ob wir sie in einem Wir erfüllt bekommen. Hoffen wir nicht insgeheim, dass das Konstrukt darunter leidet und verbergen sie! Gestehen wir uns ein, dass wir sie unter Umständen anders erfüllen müssen, außerhalb des Wirs. Machen wir nicht andere für uns verantwortlich, sondern tragen wir die Verantwortung für uns selbst! Bevormunden wir niemanden, sondern hören wir uns zu! Lassen wir uns und dem*der Partner*in Raum zu sein und zu wachsen! Betrachten wir Beziehung nicht als Verpflichtung, sondern Zusammensein als Geschenk! Verlieren wir uns nicht in Verhandlungen und Kompromissen, sondern arbeiten wir an Lösungen! Sehen wir im Gegenüber die Person, die sie ist, anstelle unserer Hoffnung und unserer Vorstellung! Haben wir Mut, Wege zu gehen, die erst einmal unbekannt sind und im Dunkeln liegen, um sie zu unseren eigenen zu machen und damit zu erhellen!


Betrachten wir Liebe nicht als Bezug im Sinne von anderen zu beziehen oder an anderen zu ziehen! Betrachten wir sie als Zugewandtheit! Als ein wahres Interesse aus freien Stücken! Vielleicht bedarf es auch eines neuen Wortes. Beziehung ist wohl eher was für wirtschaftliche, kapitalistische Prozesse. Vielleicht sollten wir von Verbindungen sprechen. Ein Naturgesetz formuliert, dass Elemente nach Bindung streben, doch verbunden bleiben sie nur, solange ihr Energiehaushalt ausgeglichen ist. Wenn stärkere Mächte wirken, lösen wir uns aus alten Verbindungen und gehen neue Verbindungen ein. Doch unser wunderbares menschliches Bewusstsein gibt uns beim Trennungsschmerz einen Trost mit: Man kann den*die andere*n mitnehmen – in wertschätzender Erinnerung, in gelebten Momenten, im eigenen Sein.


Liebe muss nicht wehtun, Liebe kann heilen. Wenn wir sie nur lassen. Wenn wir Loslassen als Bestandteil von einem Miteinander begreifen. Loslassen von Erwartungen und Forderungen, Loslassen vom Perfektionierungsdruck, Loslassen von der Hoffnung auf Dauer. Denn die Umstände verändern sich und wir uns mit ihnen. Wenn wir Liebe nicht mehr als Möglichkeit zu Nehmen begreifen, sondern im Geben die Erfüllung finden. Wenn wir ehrlich zu uns selbst und zu anderen sind und uns Ängste und Zweifel eingestehen. Wenn wir ehrlich, wertschätzend und liebevoll kommunizieren. Liebe muss nicht einengen, sie kann erweitern: Wenn wir sie als Chance zum Wachsen betrachten. Stillstand und Konservierung führen nur dazu, dass wir Rost ansetzen und unter einer Scheinhülle aus falsch verstandener Sicherheit korrodieren. Denn wirkliche Sicherheit kommt eben aus Ehrlichkeit sich und anderen gegenüber, aus dem Vertrauen in die Welt und an unsere Entwicklung, aus der Bereitschaft zu wachsen und mit den Wachstumsschmerzen umzugehen, aus dem Beschreiten neuer Wege.




Artwork by nka.arte


Ruth Cohns Themenzentrierte Interaktion (TZI)


Mit der Entwicklung der TZI wollte Ruth Cohn ein Konzept entwickeln, das „dem ursprünglich gesunden Menschen ein Leben ermöglicht, in dem er gesund bleiben kann“. Mit Gesundheit ist hier nicht nur das individuelle Wohlbefinden einer Person gemeint, sondern auch ihre politische Verantwortlichkeit in der Welt.


Das Konzept der TZI entwickelt sich auf der Basis dreier Axiome:

1. Autonomie

Existentiell-anthropologisches Axiom

  • Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit

  • Die Autonomie des Einzelnen ist umso größer, je mehr er sich seiner Interdependenz mit allen und allem bewusst wird

2. Wertschätzung

Ethisches Axiom

  • Ehrfurcht gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum

  • Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidung

3. Grenzen erweitern

Pragmatisch-politisches Axiom

  • Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender innerer und äußerer Grenzen

  • Erweiterung dieser Grenzen ist möglich


Daraus ergeben sich folgende Postulate:

Die Axiome führen zu den Postulaten:

  • Sei deine eigene Chairperson, die Chairperson deiner selbst! Nimm dich selbst, andere und die Umwelt in den Möglichkeiten und Grenzen wahr und jede Situation als ein Angebot für die eigene Entscheidung an.

  • Störungen haben Vorrang! (im Sinne von „nehmen sich Vorrang“) „Das Postulat, dass Störungen und leidenschaftliche Gefühle den Vorrang haben, bedeutet, dass wir die Wirklichkeit des Menschen anerkennen; und diese enthält die Tatsache, dass unsere lebendigen, gefühlsbewegten Körper und Seelen Träger unserer Gedanken und Handlungen sind.“ Bestehende Störungen sollten direkt und verbal enthüllt werden.

  • „Verantworte dein Tun und Lassen – persönlich und gesellschaftlich!“



Der Mittelweg


Ich habe mich verlaufen.

Finde meinen Weg nicht mehr.

Weiß nicht mehr woher

ich komme und wohin

ich unterwegs bin.

Was ich suche, weiß ich nicht.

Was ich finde, erkenne ich nicht.

Und dann trenne ich mich

von dir.

Aber eigentlich

begegne ich nur endlich wieder mir.


Denn, der Weg, auf dem wir gingen,

war am Ende

weder der deine noch der meine.

Er war ein Mittelweg.

Fremdes Gelände.

Und letzten Endes gingen wir ihn doch alleine.

Jetzt ist es zu spät.


Wir gingen zusammen in entfernten Reihen

und hingen zusammen in getrennten Seilen,

wollten alles teilen und gemeinsam verweilen

und begannen uns voneinander fortzueilen.


Die Liebe war doch groß genug gewesen,

dass sie Wälle durchbrach.

Der Wille war doch so stark und zäh gewesen,

dass er jede Welle brach.

Jeden Stein des Widerstands,

der sich uns in den Weg stellte,

zermalmten wir zu Sand.

Und als der Sand in den Augen brannte,

weinten wir ihn nicht mit Tränen hinaus,

wir schlossen nur einfach die Augen.

Jetzt steh ich hier und kann es nicht glauben.


Wir wollten auf einem Wege gehen

– so sehr.

Und sahen nur uns selbst im Wege stehen

– immer mehr.

Und weil wir den einen gemeinsamen Weg anvisierten,

waren es dann am Ende wir selbst, die wir eliminierten.


Jetzt steh ich hier neben einem Unbekannten

und will nicht begreifen,

dass das Wir, zu dem wir die Ichs und die Dus umbenannten,

uns beide nicht mehr erreicht.

Dass das Du und das Ich uns beiden nicht mehr gleicht.

Fremd ist es geworden auf unserem Schiff.

Es treibt führerlos und unbemannt

und versinkt unerkannt im Treibsand.


Ich frage mich, wo wir uns verloren haben?

Ab wann wir uns selbst betrogen haben?

Wann fing es an, verlogen zu sein?

Wann war es kein Leuchten mehr, sondern Schein?

Ich weiß nicht mehr.

Ich weiß nicht mehr woher

ich komme und wohin

ich unterwegs bin.

Jetzt sind wir wieder getrennte Einheiten, du und ich.

Und langsam erahne ich wieder mich.

Ich bin bei uns ausgezogen, habe mich neu eingerichtet.

Habe die Erinnerungen weitestgehend vernichtet.

Und verjage dein Gespenst in jeder Nacht.


Und auch, wenn ich noch auf wackligen Beinen gehe

und auch, wenn ich noch durch trübe Augen sehe,

beginne ich zu erahnen,

wo mein Ich

begraben

liegt.

Und ich beginne langsam, Schicht für Schicht

abzutragen.


Doch noch immer frage ich mich, wo wir uns verloren haben,

ab wann wir uns selbst betrogen haben?

Ab wann es anfing, verlogen zu sein?

Ab wann war es nur noch Schein?

Und je mehr ich zurückgelange auf meinen Pfad

Weiß ich, wo der Fehler lag.

Der Fehler lag im Mittelweg.

Denn er war weder deiner noch meiner,

fremdes Gelände,

und unserer beider Ende.

Jetzt ist es zu spät.


Aber früh genug für eine Lehre,

die ich mitnehme in meine Leere.

Ich werde nie wieder meinen Weg verlassen,

um zu einem anderen zu passen.

Entweder wir laufen parallel

und gleich schnell

und wachsen unter demselben Licht,

erhellen uns mit unserer Sicht,

erweitern uns in unseren Wesen,

weil wir die Dinge ähnlich lesen.


Oder wir lassen es besser sein.

Und gehen allein.


Freifrau von Willen

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